Archiv für 28.12.2006

Sonne in London

Ich weiß, dass in Deutschland gerade Schnee fällt. Falls sich jemand fragt, wo die Sonne ist: Hier in London. Es hat 10 Grad und wir waren heute im Sonnenschein an der Themse spazieren – nur falls mir wieder einer erzählen will, in London sei das Wetter ja immer so schlecht…

Themse

Barrierefreie Gefängniszellen

Vorhin wurde in dem Einkaufszentrum, das ich auf dem Weg zum Bus durchquerte eine Rollstuhlfahrerin festgenommen. Ich hatte die Frau bereits morgens dort gesehen. Als wir nach Stunden wieder dort ankamen, war sie umringt von Polizisten.

Eine Polizistin war gerade dabei, ihr Handschellen anzulegen, was wegen der Spastiken der Festfgenommenen eine Herausforderung war und ich habe mich ernsthaft gefragt, ob die Angst haben, dass sie wegläuft. Ihr E-Rolli sah mir nicht gerade danach aus, als würde er mehr als 10 km/h schaffen. Ich habe nicht mehr gesehen, wie sie sie abtransportiert haben. Wegen der Handschellen konnte sie den Rollstuhl ja nicht mehr selber steuern und einen E-Rolli zu schieben ist auch nicht der Brüller. Ob die hier wohl barrierefreie Gefängniszellen haben?

Schlüsselerlebnis

Update: Da über diesen Beitrag viele Anfragen dazu kommen: Den Schlüssel kann man auf meiner Seite London Barrierefrei bestellen.

Seit einigen Jahren gibt es in Europa eine sehr schlaue Einrichtung: Den so genannten Euroschlüssel. Mit diesem Schlüssel, den sich jeder behinderte Mensch, der auf Behindertentoiletten angewiesen ist, besorgen kann, lassen sich in vielen Ländern Europas Behindertentoiletten öffnen.

Euroschluessel
Euroschlüssel

Man hätte sich eigentlich denken können, dass bei dem Namen EUROschlüssel die Briten nicht mitmachen. Heute stand ich vor einer öffentlichen Behindertentoilette und kam nicht rein. Ein Schild informierte mich darüber, dass ich einen RADAR-Schlüssel brauche. Ich dachte erst, das Ding heißt hier RADAR bis ich merkte, dass mein Euroschlüssel nicht auf das RADAR-Schloß passt. Unverrichteter Dinge bin ich wieder abgezogen und konnte kaum glauben, dass die Briten nicht nur beim Euro, sondern auch beim Euroschlüssel ihr eigenes Süppchen kochen.

Doch tatsächlich, im Internet wurde ich fündig. Der RADAR-Schlüssel ist ein anderer Schlüssel als der unter anderem in Deutschland, Österreich, Frankreich, der Schweiz und Italien eingesetzte Euroschlüssel. Also habe ich mir jetzt den RADAR-Schlüssel bestellt.

RADAR-Schluessel
RADAR-Schlüssel

Wer als Rollstuhlfahrer durch die Welt reist, wird über kurz oder lang mit einem dicken Schlüsselbund unterwegs sein. Ich rechne fest mit dem „Freedom-Key“ der Amerikaner, dem „Kangooro-Key“ der Australier, dem „IncredibleToilet-Key“ der Inder, dem „Carioca-Key“ der Brasilianer und dem „NiHao-Key“ der Chinesen.

30

Cover der Zeitschrift Emma

Emma wird 30. Ich auch. Dank London (eine Stunde Zeitverschiebung) konnte ich dieses Ereignis noch ein wenig herauszögern. Aber jetzt hat es auch mich erwischt. Ab heute bin ich kein Twen mehr.

Frohe Weihnachten aus London

Regent Street mit Weihnachtsdeko
Regent Street kurz vor Heilig Abend

Ich wünsche allen ein schönes Weihnachtsfest! Merry Christimas! Feliz Natal!

Es geht aufwärts

Juhu, ich bin jetzt stolze Besitzerin einer Telefonleitung und kann damit immerhin per „Pay as you go„- Internetleitung surfen. Es ist etwas anachronistisch, denn ich surfe schließlich mit einer 56k-Verbindung, aber es geht. Breitbandanschluss ist bereits beantragt. Eigentlich hatte ich gestern einen Termin mit einem British Telecom-Techniker, der zwischen 8 und 13 Uhr in die Wohnung müsse, um die Leitung zu installieren. Als um 12 Uhr noch keiner da war, rief ich mal an und man sagte mir, er käme um 13.30 Uhr. Aber auch bis dahin war niemand da. Ich rief wieder an und die freundliche Dame sagte mir, ich solle mal mein Telefon in die Dose stecken und testen, ob ich einen Freiton habe. Tatsache, ich hatte eine Leitung. Ganz ohne Techniker und nach drei Wochen Wartezeit hatte irgendjemand irgendwo den Schalter umgelegt. Halleluja!

Außerdem bin ich unterdessen hier krankenversichert. Das geht relativ problemlos und ohne hohe Hürden. Das finde ich an dem viel gescholtenen NHS-System hier wirklich gut. Man muss sich nur bei einem Hausarzt in seiner Region (in meiner gibt es nur einen – da fiel die Wahl leicht) registrieren und zu einer Grunduntersuchung antanzen. Registriert bin ich, Untersuchung folgt nach Weihnachten. Man muss nicht arbeiten, um krankenversichert zu sein. Jeder, der hier wohnt, ist versichert sobald er sich registriert. Eine Zusatzversicherung schließe ich trotzdem ab, damit ich auch in Deutschland zum Arzt kann.

Ich habe den Rat eines Lesers in den Kommentaren beherzigt und habe mir einen anderen Handyprovider als T-Mobile zugelegt. Diese Entscheidung wurde umso mehr unterstützt, nachdem mir die Hotline mitteilte, dass T-Mobile in UK keine deutschen Kreditkarten akzeptiert, um das Guthaben aufzufüllen. Ich bin irgendwie im Geiste zu sehr Europäerin als dass ich für so ein Verhalten Verständnis hätte – und dass auch noch von einem deutschen Unternehmen.

Also ich komme langsam voran. Was mir noch fehlt ist eine National Insurance Number (Termine für Interviews hierfür gibt es erst wieder im neuen Jahr) und halt ein Bankkonto. Achja, und auf meinen Arbeitsvertrag warte ich immernoch, aber das macht nichts. Ich fühle mich unterdessen sehr wohl hier und lerne, weniger deutsch zu denken, auch wenn es mir schwer fällt. :-)

Parkplatz für behinderte Einkaufswagen

Einkaufswagen steht ueberdacht auf einem Behindertenparkplatz

Gesehen bei Staples London Park Royal (es gab allerdings noch genug weitere Behindertenparkplätze)

Audi wirbt auf Deutsch

Audiwerbung Vorsprung durch Technik

Vor meiner Haustür – das wäre aber nicht nötig gewesen…

Ich bin gescheitert

Ich habe immer noch kein Bankkonto. Weder der bezahlte TV Licencing Bill (sowas wie die GEZ) noch das Schreiben des Wahlregisters genügen der Bank zum Adressnachweis. Und jetzt reicht es mir. Ich geh zur Konkurrenz und ich verstehe langsam, was der Slogan der Bank „Banking another way“ bedeutet. Die Bankmitarbeiterin erzählte mir noch, dass Natwest (so heißt die Bank) ihr damals auch das Konto verweigerte als sie nach England kam. Ich soll es mal bei HSBC versuchen. Die hätten ihr eines gegeben. Das habe ich jetzt auch gemacht. Ich habe online ein Passportkonto beantragt. Das ist ein Konto speziell für Einwanderer. Die haben diese Zielgruppe wenigstens erkannt.

Nach mir kam eine Polin in die Bank, die mir auch nicht den Anschein macht als wolle sie die Bank betrügen. Die war ähnlich entsetzt wie ich, dass sie ihr trotz Mietvertrag und Arbeitsvertrag eines renommierten Unternehmens kein Konto geben wollten. „Our bank has funny rules„, sagte die Mitarbeiterin noch ironisch. Ich kann darüber nur bedingt lachen, muss ich sagen. In Deutschland würde man das wohl „Ausländerfeindlichkeit“ nennen.

Schiebst Du schon oder trägst Du noch?

Mein Umzug nach London hat mich auch zu IKEA in London-Wembley gebracht. Dort gibt es auch ein SB-Restaurant wie überall auf der Welt, wo man Köttbullar essen kann (Meatballs heißen die in England).

Diese Selbstbedienungsrestaurants sind für Rollstuhlfahrer nur bedingt praktisch, vor allem der Tabletttransport ist jedesmal ein kleines Abenteuer. In London hat IKEA aber sehr praktische Tablettwagen, konnte ich feststellen.

Ikea Tablettwagen

Ich habe solche Wagen noch nie irgendwo gesehen. Sie haben mir den Tabletttransport aber sehr erleichtert. Ich habe den leichtgängigen Wagen einfach vor mir hergeschoben. Um so erstaunter war ich, als ich einen deutschen Schriftzug auf dem Ding entdeckte. Die Teile werden von einer deutschen Firma produziert und ich habe jetzt mal IKEA Deutschland angeschrieben mit der Bitte diese Wagen auch in ihre Filialen in Deutschland zu stellen. Denn nicht nur Leute, die schlecht Tabletts tragen können profitieren davon, auch Familien, die mehr als ein Tablett brauchen, müssen nicht zwei Mal gehen.