Archiv für 29.9.2006

Tücke in der Fluggastbrücke

Fluggastbruecke mit Blick aufs Flugzeug

Was ist es wert, am Flughafen München eine Stunde im Flugzeug und anschließend in der Fluggastbrücke auf seinen eigenen Rollstuhl zu warten, den irgendjemand ins Flughafengebäude gebracht hat, und sich mit einem unfähigen Ramp Agent zu streiten? Einen zweiseitigen Entschuldigungsbrief der Lufthansa und 5000 Meilen. Och neee, das lohnt sich nicht. Beim nächsten Mal doch bitte gleich den Rollstuhl bringen, ja? Danke.

Disclaimer: Ich habe einen Trainervertrag mit Lufthansa Flight Training.

Wenn Sicherheitsleute Angst haben

Ich habe ja, ich gebe es zu, relativ positive Vorurteile über die USA, was die Behandlung behinderter Menschen angeht. Mir ist allerdings auch schon aufgefallen, dass an den Flughäfen es teilweise ziemlich „unamerikanisch“ zugeht und die Sicherheitsleute mich genauso merkwürdig behandeln wie ich es von „Good old Germany“ gewohnt bin.

Was aber Wheelchair Dancer erlebt hat, übersteigt meine Vorstellungen. Mehrere Sicherheitsleute am Flughafen in New York haben sich geweigert, sie wegen ihrer Behinderung zu kontrollieren. Sie hatten Angst vor ihren unkontrollierten Bewegungen:

I warned her about the involuntary movement, and she began the search. After a couple of large spazzes, she went to her supervisor (Luther) and asked him (in front of me) to get someone else to do it because it was too much for her. I didn’t feel particularly good about this, but I let it go.

Today, however, she saw me coming. Yes. Literally. And while she was escorting me back to the common search area, she cheerfully explained that I scared her too much to do to the search and that she just couldn’t do the search; she physically shuddered at the thought of it. The same old Luther supervisor condoned her opinion, and a third staff person was called. As you can imagine, I feel absolutely horrible about this. It was humiliating and shaming.

Via Katja

Schlauberger

„Ey, wir sind an der Endstation“, sagte der Herr (Typ: Staubsaugervertreter) zu mir, der in Hamburg als einer der Letzten das Flugzeug verließ, in ziemlich anmassendem Ton und machte sich über mich lustig, dass ich so doof bin und da immer noch sitze.

So lange noch Passagiere im Flugzeug sind, können die Leute vom Assistenzdienst ja nicht rein, um mir aus dem Flugzeug zu helfen, deshalb steig ich immer als Letzte aus. „Schlauberger“, habe ich ihm geantwortet. Da ich schneller war als das Gepäck, stand der Schlauberger auch prompt noch am Gepäckband und hat natürlich gesehen, dass ich Rollstuhlfahrerin bin. Er konnte anschließend vor Scham kaum noch seinen Koffer tragen, hoffe ich.

Lebenswert

Ich sitze gerade in der Businesslounge am Flughafen in Hamburg. Die Dame am Empfang begrüßte mich mit den Worten: „Sie kommen ja gut zurecht.“ Ich verstand erst gar nicht, was sie meinte, bis ich meinen „Es gibt Menschen, die denken, Du kommst vom Mars“-Modus im Gehirn eingeschaltet hatte. Ich war mit meinen Gedanken ganz woanderes und wollte nur schnell rein. Ich sagte zu ihr irgendwas wie „Jaja, kein Problem“. Und sie antwortete mir: „Ja, wenn man denn so leben muss.“ Ich war ein wenig sprachlos, muss ich sagen. Dann holte ich tief Luft und sagte im eisigen Ton: „Das sehe ich nicht so.“ „Das sehen Sie nicht so“, murmelte sie und merkte wohl, dass das nicht sehr nett war, was sie gesagt hatte.

Dann bin ich rein und kam nicht an die Gläser ran, weil die viel zu weit oben stehen. Da keine Mitarbeiter weit und breit zu sehen waren, bin ich wieder raus und habe die Dame am Empfang gebeten, mir ein Glas runterzugeben. „Wissen Sie, nicht dass ich im Rollstuhl sitze, behindert mich. Sondern dass Sie Ihre Gläser für mich unereichbar platzieren. Das ist das Problem.“ Ich bin mir nicht sicher, ob sie das verstanden hat.

Noel Martin will nicht mehr leben

Was muss das für ein Triumph für die Täter sein: Noel Martin will sterben. Noel Martin überlebte 1996 einen Anschlag von Neonazis und ist seitdem querschnittgelähmt. Ich bin so erschüttert über seinen Wunsch, dass ich mich nicht mal darüber aufregen kann, dass Spiegel Online ihn zu allem Übel auch noch als Krüppel bezeichnet.

Ich kenne viele Menschen mit einer ähnlichen Form der Querschnittlähmung, die ein durchaus erfülltes Leben haben und niemals auf die Idee kämen, sich das Leben zu nehmen. Ich verurteile seinen Wunsch nicht, ich kann es nur nicht verstehen. Ich bin zu tiefst betroffen, dass die Täter, die ihn wahrscheinlich umbringen wollten, doch noch Erfolg haben könnten. Dass es Leute gibt, die sich über seinen Tod freuen würden und dass nicht zumindest das dazu führt, ihm Lebenswillen zu geben. Nur damit diese Verbrecher nicht letztendlich doch noch triumphieren können.

Und ich frage mich, was ihm fehlt, um ein erfülltes Leben zu führen. Was haben die Menschen mit einer ähnlichen Behinderung, die ein zufriedenes Leben führen, was er nicht hat? Seine Frau ist vor ein paar Jahren an Krebs gestorben. Vielleicht ist es das. Ich weiß es nicht. Es tut mir nur unendlich leid, dass jemand wie er einfach aufgeben will. Es gibt so viel zu tun auf der Welt, wofür man keine Hände und Füße braucht.

Zeitschriftensterben

Mein Lieblingsmedienmagazin V.i.S.d.P. gibts nicht mehr, jedenfalls nicht gedruckt. Ich war von der ersten Ausgabe an treue Leserin, später sogar Abonenntin (ja, ich war das), mehrfach wurde mein Weblog dort erwähnt und zuletzt druckte man sogar einen Leserbrief von mir. Warum müssen die Guten immer so früh sterben?

P.S.: Falls es doch noch Hoffnung gibt, ich würde auch zwei Abos nehmen…

Nicht barrierefreie Wahllokale

Im Hauptstadtblog werden nicht barrierefreie Wahllokale kritisiert. Schön, auch mal in anderen Blogs etwas zu Barrieren im Alltag zu lesen.

Weniger schön sind allerdings die Kommentare dazu. Von Luxusproblemen ist da die Rede und dass man nicht für jeden Rollstuhlfahrer ein barrierefreies Wahllokal gewährleisten könne. Warum eigentlich nicht? Wahlrecht ist schließlich eines der wichtigesten Bürgerrechte in einer Demokratie. Es fröstelt mich gerade sehr. Es weht teilweise ein ziemlich kalter Wind durch unser Land.

Abenteuer Deutschland

Katja war in Deutschland und ist unter anderem mit der Bahn gefahren. Die Bahn hat sich angestrengt und ihr ein Gefühl vermittelt als sei sie hier zu Hause: Denn in Stuttgart kam kein Hublift. Schön, wenn auch behinderten Touristen gezeigt wird, wie der Alltag mit der Bahn für Rollstuhlfahrer in Deutschland aussieht.

Felix Austria

Dass ich das noch erleben darf: Die Uni Wien hat mich nach fast genau sechs Monaten als Promotionsstudentin zugelassen. Nachdem ich wirklich alle möglichen und unmöglichen Bescheide und Bestätigungen (alle amtlich beglaubigt natürlich) beigebracht hatte (einen großen Dank an das Prüfungsamt der Uni Hamburg, die mir wirklich sehr unbürokratisch geholfen haben, obwohl ich dort seit zwei Jahren mit dem Studium fertig bin), glaube ich jetzt auch wieder an das Gute in der Europäischen Union. Ich hatte schon befürchtet, Österreich tritt eher aus der EU aus bis sie mein Diplom aus Deutschland anerkennen.

Und das Beste: In dem Zulassungsbescheid wurde darauf verzichtet, mich darauf hinzuweisen, dass die Kommunikation mit der Zulassungsstelle ausschließlich auf Deutsch erfolgen kann, wie sie das bislang in jedem Brief taten. Ich habe mich von dieser Kriegsführung aber nicht beirren lassen. :-)

Und bevor jetzt alle fragen „Warum denn Wien?“. Wegen des Profs, des Themas und überhaupt. Ich mache das berufsbegleitend und muss auch nicht ständig anwensend sein. Das Thema: „Die Darstellung behinderter Menschen in der Berichterstattung deutschsprachiger Nachrichtenagenturen“. Input, Literatur, Kontakte, Anfragen etc. sind jederzeit willkommen.

Pfadfinder

Manchmal komme ich mir vor wie ein Pfadfinder: Jeden Tag eine gute Tat – in meinem Fall für Barrierefreiheit. :-) Heute abend war ich auf einer Veranstaltung im Side Hotel in Hamburg. Ich war dort schon auf vielen Veranstaltungen, aber noch nie in den Räumlichkeiten im 8. Stock. Dort gibt es vier Stufen zu der Terrasse, einem Konferenzraum und einem Raum davor. Genau da musste ich hin.

Die Pressekonferenz fand im Keller statt, aber die Produkte wurden anschließend oben präsentiert. Pressekonferenz ohne die Produkte gesehen zu haben macht wenig Sinn, also habe ich in den sauren Apfel gebissen und habe mich hochtragen lassen. Hat sich auch gelohnt und der Abend war dann doch ganz nett und informativ. Ich konnte sogar die Frage unterbringen, warum auch die neueste Version der Software nicht per Sprachausgabe zu bedienen ist. ;-)

Ich hatte ganz gute Laune und habe dann noch meine gute Tat für heute vollbracht: Ich bin an die Rezeption gefahren und habe freundlich aber bestimmt um die Entfernung der Barrieren im 8. Stock gebeten. Platz für eine Rampe gibt es nämlich und das Hotel ist gerade einmal fünf Jahre alt. Manche Architekten…

Die Rezeption war sehr freundlich und ich habe meine Visitenkarte hinterlassen, mit der Bitte, mir doch mitzuteilen, wann sie das Problem behoben haben.