Archiv für 27.12.2005

Playboy für Blinde

Playboy in Braille

Aus der Playboy-FAQ: „The only people who can rightfully claim to read it solely for the articles are the thousands of blind readers who peruse our Braille edition, which has been distributed by the Library of Congress since 1970.

(via Banterist)

Aus Erfahrung wird man klug

Wieder eine Einladung zum Presselunch. Noch schnell vor Weihnachten – neue Produkte und so… Meistens lernen die Firmen relativ schnell: Wer mich einlädt, weiß spätestens bei der ersten Absage wegen Stufen & Co., auf was er beim nächsten Mal zu achten hat. Beim letzten Mal habe ich aber nicht abgesagt, sondern de facto die Location selbst gesucht.

Nach dem Blogeintrag bekam ich einen netten aber bestimmten Wink eines Freundes, dass das nicht professionell war, sondern das Gegenteil. Er sollte recht behalten. Bei Lunch Nummer 2 hatte die gleiche Firma zwar das Restaurant selbst ausgesucht – allerdings ohne auf die Barrierefreiheit zu achten. Irgendwann muss es ihnen dann doch eingefallen sein und sie riefen mich an, ob ich denn wisse, ob das Restaurant xy barrierefrei sei. Wusste ich nicht. Wie man denn das rauskriegen könne. Ich riet zu „Anrufen und fragen“. Jaja, ich weiß: Dass Journalisten immer auf Recherche setzen müssen, ist für so manche PR-Agentur ein Greuel. So auch in diesem Fall. Allerdings hatte ich ja aus der Erfahrung gelernt und ließ sie selbst nachfragen. Das Restaurant war natürlich nicht barrierefrei. Da ich aber sowieso zu dem Termin anderweitig verabredet war – ganz barrierefrei – war das nicht so schlimm – für mich jedenfalls.

Aber so ganz gefiel ihnen das dann doch nicht. Sie überredeten mich zu einem Kaffee in einem barrierefreien Café vor dem Mittagessen. Aber ne dritte Chance kriegen sie nicht.

Wie richtig taggen?

Seit ich del.icio.us intensiv nutze, denke ich darüber nach, wie man das Sprachproblem beim Taggen löst. Tagge ich meine Links in Englisch oder Deutsch? Oder tagge ich zweisprachig? Und was ist mit den französischen Links?

Eine Weile habe ich jetzt versucht, die Links sowohl in Englisch als auch in Deutsch auszuzeichnen. Die Praxis zeigt aber, dass das nicht wirklich eine tolle Lösung ist. Zum einen ist es aufwändig, zum anderen vergisst man dann doch schon mal die ein oder andere Übersetzung, was dazuführt, dass man vielleicht unter „Accessibility“ mehr Links findet als unter „Barrierefreiheit“. Das kann irgendwie doch nicht Sinn der Sache sein.

Ich habe mich jetzt entschlossen, meine Links nur noch Englisch auszuzeichnen – zum einen weil die Begriffe, die ich zum Taggen nutze sowieso allgemein verständlich sein sollten, auch wenn man nicht viel Englisch versteht. Zum anderen aber, weil die Mehrzahl meiner Links sowieso auf englischsprachige Seiten führen.

Langfristig müsste man aber mal überlegen, wie man dieses Problem löst. Will man auch beim Taggen die Vielfalt der Sprachen erhalten? Oder wird sich Englisch durchsetzen? Ist es aber sinnvoll japanische Links in Englisch zu auszuzeichnen? Interessieren sich aber nicht auch ausländische Berlin-Besucher für den Link zu den Verkehrsbetrieben, auch wenn dieser mit „Nahverkehr“ getaggt ist?

Bei Blogs ist das Problem nicht so groß wie bei Angeboten wie del.icio.us, denke ich. Ein Blog in deutscher Sprache muss wahrscheinlich keine englischen Tags haben. Nicht Deutsch sprechende Besucher werden die Seite sowieso nicht verstehen und haben im Zweifelsfall kein Interesse daran, das Blog zu finden.

Je mehr aber mit Tags gearbeitet wird – und das Internet ist nunmal eine internationale Angelegenheit – desto mehr stellt sich die Frage nach der richtigen Tag-Sprache. Ich bin mir noch nicht so sehr im Klaren darüber, wie die Antwort lauten wird.

Strampe

Rampe
Paris hat in verschiedener Weise meinen Horizont erweitert. Zum Beispiel wusste ich nicht, dass es Strampen gibt. Oder wie nennt man Rampen, die Stufen haben?

Leider kann man das auf dem Bild nicht so richtig gut erkennen, aber diese Rampe am Hintereingang der Industrie- und Handelskammer in Paris hat viele kleine Stufen. Von der Straße bis zum Eingang etwa 20. Am oberen Ende sind sie höher als bei diesem unteren Teil. Ich kenne viele Rampen auf dieser Welt. Aber solch originelle Architektur habe ich noch nicht gesehen. Der Sicherheitsmensch des Gebäudes wollte mich auch gar nicht alleine runterfahren lassen: „Wegen der Stufen…“. Ich habe mich dann aber doch durchgesetzt. Wer solche Rampen hat, ist bestimmt gut versichert. ;-)

Reisen bildet

Man könnte meinen, es reiche in jeder Stadt der Welt in Flughafennähe aus, sich 4 ½ Stunden vor Abflug auf den Weg zum Flughafen zu begeben. Paris belehrte mich eines besseren.

Obwohl wir um 15.30 Uhr den Kongress Les Blogs verließen, haben wir am Dienstag abend um 20.00 Uhr unseren Flieger verpasst. Zuerst stand unser Bus chronisch im Stau. Man muss dazu sagen, dass wir einen nicht zu kleinen Umweg nehmen mussten, da Frankreich bekanntlich für sein gutes Essen, nicht aber für seine Barrierefreiheit berühmt ist. Ganz im Gegenteil: Diese Stadt hat zwar fast ausschließlich Niederflurbusse. Aber in vielen verhindert eine taktisch klug platzierte Mittelstange den Einstieg für Rollstuhlfahrer. Um Missverständnissen vorzubeugen, kleben an manchen Bussen gleich mehrere durchgestrichene Rollstuhlsymbole. Es ist mir leider nicht gelungen, das mal zu fotografieren.

Als wir dann endlich die RER (S-Bahn) erreichten, fuhren die Züge einfach nicht. Warum? Keine Ahnung. Die Zeit lief uns davon. 4 ½ Stunden lang. Irgendwann kamen wir dann doch am Flughafen Charles de Gaulle an. Aber wir kamen nicht mehr raus aus der RER. Man muss seinen Fahrschein am Ausgang durch einen Automaten ziehen und dann durch ein Drehkreuz gehen. Es gibt auch eine Art Schleuse, durch die Rollstuhlfahrer passen. Aber diese Schleuse war defekt. Sie ließ mich trotz gültigem Ticket nicht aus der Station. Weit und breit war kein Mensch zu sehen, der uns hätte helfen können. Wir steckten fest. Die blöde Schleuse hielt uns gefangen. Also betätigte ich den Notruf. Keine Reaktion. Ich entdeckte nicht mal einen Notausgang, den man hätte nutzen können. An einem der größten europäischen Flughäfen kann es sein, dass man den Notruf betätigt, aber keiner antwortet. Und einen Fluchtweg für Rollstuhlfahrer konnte ich in diesem Teil der Station auch nicht entdecken. Alles war zugegittert und verglast. Reisen bildet.

Eine Frau versuchte dann, jemanden an der Station ausfindig zu machen, erzählte uns aber später, das Personal habe sich nicht dafür interessiert, dass wir da standen. Irgendwann schafften wir es doch, die Schleuse dazu zu bewegen, uns frei zu lassen. Die Zeit bis zum Abflug wurde immer knapper und wir mussten ja noch mit dem Bus zum anderen Terminal fahren. Aber die Busfahrer streikten. Es kam einfach kein Bus. Aber ein Hinweis an der Haltestelle machte uns darauf aufmerksam, dass sich Teile der Busfahrer im Streik befinden. Vielleicht hätten wir es noch geschafft.

Die Maschine am Tag darauf war relativ leer, so dass wir problemlos umbuchen konnten. Und ein rollstuhlgerechtes Hotelzimmer haben wir an dem Abend auch noch am Flughafen aufgetan. Vive la France!

Nach Hamburg

Flugzeug

Einen Tag später als geplant, aber dazu später mehr.

Les Blogs 2.0 in Paris

Publikum und Podium

Ab nach Paris

Flughafen bei Nacht
Viel zu früh fürs Wochenende…
Dafür heute mal mit der Frage „Reisen Sie mit?“ Denn diesmal war ich unübersehbar nicht alleine. Zusätzlich noch Begeisterung für das eigene Unternehmen: „Schon toll, was wir Behinderten für einen Service bieten.“ Meine Begeisterungsstürme werden diesbezüglich spätestens dann gedämpft, wenn mir die übelgelaunten DRK-Mitarbeier begegnen.

Ja, ich reise alleine

Ich war ein wenig spät, aber sah schon von weitem, dass ich Glück hatte: Niemand war an den Check-In-Countern zu sehen. Ungewöhnlich für die Tageszeit. Als ich um die Ecke bog, wurde mir klar, warum. Da waren wieder Geschwader von Mitarbeitern unterwegs, die Passagiere nötigten freundlich aufforderten, doch bitte am Automaten einzuchecken. Ich ignorierte die Herrschaften hartnäckig, denn Passagiere im Rollstuhl müssen am Counter einchecken.

Als ich mir den Weg durch die Schlange vor den Automaten gebahnt hatte und gerade auf die Durchleuchtungsmaschine für Gepäck zusteuerte, hörte ich wie der eifrige Mitarbeiter die Frau ansprach, die etwa 10 Meter (!!!) hinter mir lief. Sonst war kein Passagier in Reichweite. „Sie reisen mit der Dame?“ – Keine Reaktion. „Reisen Sie zusammen?“ – wieder keine Antwort. Die Dame war den Gewändern nach zu urteilen aus einem fernen Land und verstand ihn offenbar nicht. Und ich stellte meine Ohren auf Durchzug – ich war ja auch gar nicht angesprochen…

Dann versuchte er es bei mir: „Reisen Sie zusammen?“. „Nein“, sagte ich. „Ich reise alleine.“ Er konnte es kaum fassen. Es war mir schleierhaft, warum er überhaupt fragte. Vielleicht passte es nicht in sein Weltbild und er versuchte dieses gerade wieder mit der Realität abzustimmen. Ich versuchte, ihn zu ignorieren. „Sie müssen noch zur Durchleuchtungsanlage“, sagte er mir. Ich hätte längst dort sein können, dachte ich so bei mir. Ich machte ihm freundlich aber bestimmt klar, dass ich schon alleine zurecht komme und verschwand.

Am Schalter angekommen, fragte die Mitarbeiterin gleich, ob ich alleine reise. Ich hatte plötzlich den Eindruck mir folgt jemand, nur ich bin die Einzige, die die Person nicht sieht. Weit und breit war niemand zu sehen. Wer sollte also die Person X sein, die mit mir fliegt?

Das Rote Kreuz am Flughafen, die mir beim Einstieg ins Flugzeug helfen, waren mal wieder zu spät. Die anderen Passagiere stiegen vor mir ein. Ich war die Letzte. „Fliegen Sie alleine?“, begrüßte mich die Flugbegleiterin. Und ich hatte immer gedacht, ein Pilot fliegt die Maschine! „Ja, ich reise alleine“, sagte ich.

In Frankfurt gibt es einen speziellen Dienst für behinderte Reisende, die einen am Flugzeug abholen und behilflich sind, falls nötig. Die Mitarbeiterin war nett, aber sehr unsicher und erzählte mir auch gleich, dass sie erst seit kurzem dort arbeite. „Fliegen Sie immer alleine?“, fragte sie mich. Und so beantwortete ich diese Frage vom Check-In bis zum Gepäckband innerhalb von zwei Stunden vier Mal.

Reisen, Rollstuhl, Fliegen, Flughafen